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Psychische Gesundheit von Kindern: Tägliche Prävention im Klassenzimmer

Schule sollte alle Kinder und Jugendlichen, insbesondere jene aus sozial benachteiligten Familien, unterstützen, kann das bedingt durch den Lehrkräftemangel oft nur eingeschränkt leisten. Bianca Kaminsky, Pädagogin und Resilienztrainerin, zeigt, worauf es bei der Resilienzförderung ankommt.

Laut DAK-Präventionsrader 2024 berichten ca. ein Drittel der Kinder und Jugendlichen von Einsamkeit, ca. die Hälfte (55 %) von Erschöpfung und 6 % von krisenbezogenen Ängsten – letztere betreffen insbesondere Mädchen und Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Viele Kinder und Jugendliche, leiden noch immer unter den Auswirkungen der Covid19-Pandemie, während gleichzeitig neue Belastungen wie der Krieg in der Ukraine, wirtschaftliche Sorgen in Familien und politische Ereignisse auf sie einwirken.

Kinder und Jugendliche benötigen dringend Unterstützung bei der Bewältigung dieser Belastungen. Und dies auch und gerade in der Schule, doch dem stark ausgedünnten Schulsystem fehlen Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter:innen und Schulpsycholog:innen. Das vom Bundesfamilienministerium aufgelegte Programm der Mental Health Coaches ist zwar ein wichtiger Schritt, jedoch mit ca. 100 Coaches bundesweit bei Weitem nicht ausreichend.

Cornelia Metge aus dem Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) sagt „Psychische Belastungen sollten früh erkannt und der Entwicklung von psychischen Erkrankungen vorgebeugt werden. Jedem Kind sollte das Werkzeug an die Hand gegeben werden, seine Resilienz zu stärken“.

Bianca Kaminsky ergänzt: „Die schulische Resilienzförderung hat eine große Bedeutung – gerade für Kinder, denen es an Fürsorgeverhalten im familiären Umfeld fehlt. Schule kann zu einem wichtigen Ort der Zuwendung, der Zugehörigkeit und der Struktur werden“. Doch genau das ist aufgrund fehlender Ressourcen vielerorts nur eingeschränkt leistbar. „In meinen Workshops erlebe ich Lehrkräfte, die mir von einem permanenten Gefühl des ‘Es ist nie genug‘ berichten. Und dieses Gefühl macht nicht nur unzufrieden, sondern auf Dauer kann es auch krank machen. Schule braucht dringend weitere Ressourcen, zum Beispiel in Form von multiprofessionellen Teams.“

Denn bereits im Deutschen Schulbarometer 2022 gaben zwei Drittel aller befragten Lehrkräfte an, dass die Förderung des psychischen Wohlbefindens der Schüler:innen wichtiger sein sollte als das Erfüllen von Lehrplänen – Lehrer:innen an Grundschulen stimmten dieser Aussage sogar zu 74 % zu. Gleichzeitig räumte die Hälfte der Befragten ein: Das ist in Schule häufig nur eingeschränkt leistbar. Ängste der Schüler:innen auffangen, ein offenes Ohr für ihre Sorgen haben – es mangelt häufig an Zeit, um diese pädagogische Beziehungsarbeit zufriedenstellend zu leisten.

Damit sowohl Lehrkräfte als auch Kinder einen Zugang zu niedrigschwelliger, aber wirksamer, Resilienzförderung erhalten, hat die ehemalige Grundschullehrerin einen Praxisratgeber mit Grundlagenwissen zur Resilienz bei Kindern herausgegeben: „Meine rundum resiliente Klasse“. Lehrkräfte an Grundschulen finden darin vor allem praxisnahe Übungen für den Schulalltag, die unterstützend wirken. Darüber hinaus eignet sich der Ratgeber auch zur Vorbereitung von Elterngesprächen, da die Übungen ebenfalls gut als Handreichung für Eltern geeignet sind.

Denn so viel ist klar: Resilienzförderung ist vielschichtig. Sie fängt nicht bei der Arbeit der einzelnen Lehrkraft mit ihren Schüler:innen an – und endet dort auch ganz sicher nicht. Sie braucht weitere pädagogische Fachkräfte, positive soziale Modelle außerhalb von Schule und Familie – und selbstredend die Eltern.

„Ich erlebe unglaublich engagierte Lehrkräfte, und viele von ihnen berichten mir, dass sie die Qualität ihrer Beziehungen zu den Schüler:innen als sehr gut einstufen“, erzählt Kaminsky.

Aus der Resilienzforschung ist längst bekannt, dass Bindung noch immer der wichtigste Schutzfaktor für die psychische Gesundheit ist. Kinder und Jugendliche brauchen diese eine Person, zu der sie eine sichere emotionale Beziehung aufbauen können. In der Regel handelt es sich dabei um einen Elternteil. Doch was, wenn Eltern diese Rolle nicht erfüllen wollen oder können? „Dann können andere Bezugspersonen ‚einspringen‘, sagt die Pädagogin. „Dabei kann es sich um die Tagesmutter, den Großvater, die Tante oder eine Lehrkraft in der Schule handeln.“ Das kann sich angesichts mangelnder Ressourcen überfordernd anfühlen, ein resilienzförderndes Umfeld zu schaffen. Daher ist ein Kerngedanke der Resilienz wichtig: „Die Qualität der Beziehung zwischen Lehrkraft und ihren Schüler:innen ist der zentrale Resilienzfaktor in der Gleichung.“

Neben einer grundsätzlich wohlwollenden und unterstützenden Haltung der Lehrkraft sind weitere Merkmale wichtig, um die Resilienz von Kindern und Jugendlichen zu fördern:

  • Es gibt klare und verlässliche Strukturen: ‘Nicht heute mal so, morgen anders und übermorgen wieder auf Anfang.‘ Konsistente Regeln und Abläufe sind wichtig.
  • Die Schüler:innen erhalten verantwortungsvolle Aufgaben. Es ist wichtig, ihnen angemessene Herausforderungen zuzutrauen und somit die Möglichkeit zu geben, durch das eigene Tun etwas zu bewirken. Diese Erfahrung ist ganz wesentlich für die Entwicklung von Resilienz: Wo können Kinder und Jugendliche ihre (schulische und außerschulische) Umwelt aktiv mitgestalten und ihrem Handeln somit Bedeutung verleihen?
  • Die Schüler:innen machen die Erfahrung, dass sie auch sozial wirksam sind: Sie werden ernst genommen und es wird auf sie eingegangen. Dabei geht es nicht darum, grundsätzlich alles ganz wunderbar zu finden, was sie tun. Kritische Auseinandersetzung und Reibung gehören dazu. Wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche die Erfahrung machen dürfen, dass sie etwas in der Beziehung zu anderen Menschen bewirken und ihre Bemühungen um Teilhabe nicht ins Leere laufen.

Quelle: www.biancakaminsky.com