Seit knapp zehn Jahren bleibt die Erdüberlastung auf etwa gleich hohem Niveau. Nach Berechnungen des Global Footprint Network (GFN) ist der globale Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day) dieses Jahr am 1. August erreicht worden. Der Tag markiert den Zeitpunkt im Jahr, bis zu dem die Menschheit so viele Ressourcen von der Erde beansprucht hat, wie alle Ökosysteme im gesamten Jahr erneuern können. Die Menschheit lebt also so, als hätte sie 1,7 Erden zur Verfügung – wir in Deutschland sind im Durchschnitt noch verschwenderischer, unser Überlastungstag war bereits Anfang Mai erreicht.
„Jahrzehntelang hat die Erdüberlastung fast jedes Jahr zugenommen, seit knapp zehn Jahren pendelt sie nun auf hohem Niveau. Die gute Nachricht ist, dass der Wendepunkt erreicht zu sein scheint. Vieles spricht dafür, dass die Überlastung bald sinkt. Der weltweite Siegeszug der Erneuerbaren Energien, der Speichertechniken, der E-Mobilität und Wärmepumpen beginnt das fossile Geschäftsmodell zu untergraben. Aber diese und weitere ermutigende Trends müssen stark beschleunigt werden, um irreversible Klima-Kipppunkte und massive weitere Artenverluste zu verhindern. Schnelles, wirksames und sozialverträgliches Handeln ist gefragt, um die Freiheitsrechte der heute jungen Menschen und künftiger Generationen zu schützen. Die Industrie- und stark emittierenden Schwellenländer tragen mit ihrer sehr starken Übernutzung die größte Verantwortung“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.
Besonders klimaschädlich ist der Flugverkehr. Weltweit betrachtet fliegt nur eine Minderheit vergleichsweise Wohlhabender. Mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung besteigen nie ein Flugzeug. Und auch unter den Deutschen geben über 60 Prozent an, dass sie nur selten oder gar nicht fliegen. Besonders hohe Emissionen gehen von Langstreckenflügen aus – diese werden sogar nur von etwa vier Prozent der Weltbevölkerung in Anspruch genommen. Flugzeuge verursachen neben dem CO2-Ausstoß über klimaschädliche Kondensstreifen und weitere so genannte Nicht-CO2-Effekte etwa die dreifache Treibhauswirkung wie die gleiche ausgestoßene Menge CO2 in Bodennähe. „Nur ein sehr kleiner Teil der Weltbevölkerung ist mit seinem Flugverhalten für einen der großen Treiber der Klimakrise verantwortlich. An technischen Lösungen, um das Fliegen annähernd klimaneutral zu machen, muss mit Hochdruck gearbeitet werden. Sie sind allerdings nicht kurzfristig und schon gar nicht für die derzeitige Zahl von Flügen verfügbar. Deshalb sollten zusätzlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, insbesondere das Vielfliegen zu vermeiden. Innereuropäisch müssen Flüge zügig auf die Schiene verlagert werden – Bahnfahrten sind bis zu 28-mal klimafreundlicher. Die Kosten für die klimaneutrale Transformation des Flugsektors sollten die Flugunternehmen und ihre Kunden tragen - vor allem Vielfliegende, First- und Business Class-Passagiere. Zusätzlich muss Schluss sein mit den Steuerprivilegien für den Flugverkehr. Die dadurch frei werdenden Mittel sollten der Schiene zugutekommen“, so Jacob Rohm, Referent für klimaneutrale Mobilität bei Germanwatch.
Ein zentraler Hebel gegen die Übernutzung der Erde ist zum Engagement motivierende Bildungsarbeit. Stefan Rostock, Leiter des Bereichs Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Germanwatch: „Wir brauchen eine Bildung, die Menschen ermutigt und befähigt, Gesellschaft mitzugestalten und eigene Werte und Zukunftshoffnungen in politische Prozesse zu tragen. Nur so wird es gesellschaftliche Normalität, die Menschenrechte zu achten und die Lebensgrundlagen lokal und auch weltweit zu erhalten.“ Die Möglichkeit Demokratie mitzugestalten, ist eine Vorrausetzung für die Akzeptanz demokratischer Prozesse und stärkt das Gemeinwesen. „Wir müssen Räume schaffen, in denen Lernende sich intensiv mit ihren eigenen demokratischen Handlungsmöglichkeiten auseinandersetzen können. Dabei geht es nicht nur um die grundlegende Vermittlung von Problem- und Handlungswissen im Kontext globaler Herausforderungen, sondern auch um die Auseinandersetzung mit Werten und Visionen. Dies ist zentral, um auch den Umgang mit Zukunftsängsten und Demokratiefrust zu erlernen“, so Carina Spieß, Bildungsreferentin bei Germanwatch. „Es braucht eine Umgestaltung des Bildungssystems – ob an Schulen, Universitäten oder Ausbildungsstätten: Es ist Aufgabe der Bildungspolitik, Strukturen für Demokratiebildung und gesellschaftliches Engagement vor Ort ebenso wie in den Lehrplänen der Bundesländer zu verankern.“